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Wenn Nähe anders aussieht

Manche Menschen zeigen Nähe anders. Weniger mit Worten, mehr mit stiller Präsenz. Sie sagen nicht viel – und fühlen vielleicht umso mehr.


Es gibt Menschen, deren Gesicht ruhig bleibt, selbst wenn innen vieles in Bewegung ist. Von außen wirken sie vielleicht verschlossen, kontrolliert oder kühl. Und doch sind sie da – aufmerksam und verbunden auf ihre ganz eigene Weise.


Mein Vater gehört zu diesen Menschen. Jahrgang 1938, geprägt von Nachkrieg, Härte und Pflichterfüllung. Ein Leben, in dem Gefühle scheinbar ausgespart waren; zumindest sah es von außen so aus. Ob man das heute neurodivergent nennen würde, weiß ich nicht. Vielleicht ist es einfach eine andere Sprache – eine, die nicht jeder sofort versteht.


Wandbild mit zwei Gesichtern, eines trägt einen Vogel im Herzen – Sinnbild für stille Verbundenheit und individuelle Ausdrucksformen von Nähe.

Manchmal ist Teilnahme leise. Fast unsichtbar.


In dem Moment, als wir dachten, meine Mutter würde uns verlassen, hat er mich zum ersten Mal von sich aus umarmt. Und dabei geweint. Da wurde plötzlich etwas sichtbar, das wohl immer da gewesen war. Ich habe verstanden, dass nicht jeder Mensch Nähe so zeigt, dass man sie auf Anhieb erkennt.


Für Menschen, die anders fühlen oder anders verarbeiten, kann es schmerzhaft sein, ständig missverstanden zu werden. Sie brauchen keine ständige Deutung, sondern stilles Vertrauen: „Du darfst so sein, wie du bist.“


Und für die sogenannten „Neurotypischen“ ist es vielleicht eine Einladung, die eigenen Erwartungen zu hinterfragen: nicht immer das Sichtbare für das einzig Wahre zu halten. Vielleicht geht es gar nicht darum, Gefühle zu erkennen, sondern sie anzuerkennen – auch wenn sie sich anders zeigen, als wir es erwarten. Denn manchmal geschieht Nähe jenseits dessen, was wir mit bloßem Auge erkennen können.

 
 
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